Reform des Mehrwertsteuerrechts – EU-Kommission veröffentlicht Vorschläge zu VAT in the Digital Age 

Die Europäische Kommission hat am 8. Dezember 2022 ein Vorschlagspaket veröffentlicht, um das geltende Mehrwertsteuerrecht an das digitale Zeitalter anzupassen. Unter dem Arbeitstitel „VAT in the Digital Age“ bzw. „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“ wurden mehrere Maßnahmen zur Modernisierung des Mehrwertsteuerrechts vorgeschlagen.


Mit dem Vorschlagspaket wird nach Aussagen von Vertretern der Europäischen Kommission die größte Änderung des Mehrwertsteuerrechts in den vergangenen 30 Jahren angestrebt. Ein Großteil der Steuerpflichtigen, die in der EU Umsätze ausführen, werden von den Änderungen betroffen sein. 


Das Vorschlagspaket beinhaltet drei Säulen: 


1) Einführung eines digitalen Meldesystems auf Grundlage einer elektronischen Rechnungsstellung für grenzüberschreitend tätige Unternehmen


Digitales Meldesystem                     

Angestrebt wird ein digitales Meldesystem für grenzüberschreitende Umsätze, das eine Datenübermittlung an die Finanzbehörden nahezu in Echtzeit (i.d.R. 2 Tage nach Rechnungsstellung) vorsieht. Ziel der Europäischen Kommission ist es, die derzeit bestehende und zunehmende Fragmentierung digitaler Reporting-Systeme in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten zu beseitigen und die Grundlage für ein einheitliches Meldesystem zu schaffen. Das derzeit bestehende Kontrollsystem für grenzüberschreitende Umsätze über die Zusammenfassende Meldung wird abgeschafft und durch das digitale Meldesystem ersetzt. 


Verpflichtend soll das digitale Meldesystem nur für grenzüberschreitende Transaktionen eingeführt werden. Den Mitgliedstaaten wird jedoch auch ermöglicht, ein digitales Meldesystem für Umsätze innerhalb des Mitgliedstaates einzuführen. 

 

Elektronische Rechnungen

Grundlage für die Datenübermittlung sollen elektronische Rechnungen darstellen. Die derzeit bestehende Zustimmungspflicht des Empfängers zur elektronischen Rechnung wird abgeschafft und eine Ermächtigung für die Mitgliedstaaten geschaffen, verpflichtende elektronische Rechnungsstellung in ihrem Mitgliedstaat einzuführen. Auch die Definition der elektronischen Rechnung wird angepasst und soll künftig ausschließlich die strukturierte elektronische Übermittlung von Daten betreffen. PDF-Rechnungen stellen nach der vorgesehenen Definition somit keine elektronische Rechnung dar. 


Vor dem Hintergrund der Harmonisierung und Beendigung der Fragmentierung elektronischer Rechnungssysteme in den Mitgliedstaaten wird ein EU-Standard für elektronische Rechnungen definiert. Hierbei wird auf den Standard zurückgegriffen, der bereits im Zuge der elektronischen Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen in den Mitgliedstaaten Anwendung findet. Mitgliedstaaten müssen mithin sicherstellen, dass Unternehmen diesen Standard verwenden können, um ihre Rechnungsstellungspflichten zu erfüllen. Darüber hinaus dürfen die Mitgliedstaaten auch weitere Formate zulassen. Dies kommt insbesondere den Steuerpflichtigen zugute, die bereits eine elektronische Übermittlung von strukturierten Rechnungsdaten eingeführt haben, da eine Umstellung der IT-Systeme in diesem Fall entbehrlich wäre.


Auch die Frist für die Ausstellung von Rechnungen wird verkürzt. So sieht der aktuelle Entwurf bspw. eine Rechnungsausstellungsfrist für innergemeinschaftliche Lieferungen und Umsätze, die gem. Art. 194 oder Art. 196 dem Reverse Charge Verfahren unterliegen, von lediglich 2 Tagen vor. 


Daneben sind weitere Änderungen bspw. in Bezug auf erweiterte Rechnungspflichtangaben vorgesehen. 

 

Geplante Umsetzung

Die wesentlichen Änderungen sollen nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission zum 1. Januar 2028 umgesetzt werden. Einzelne Vorschriften sollen bereits zum 1. Januar 2024 bzw. 1. Januar 2025 Anwendung finden. 


2) Aktualisierte Rechtsvorschriften für Plattformen in den Bereichen Personenbeförderung und Kurzzeitvermietung von Unterkünften


Mit den aktualisierten Rechtsvorschriften für Plattformen soll der geltende Rechtsrahmen an digitale Geschäftsmodelle angepasst werden, die derzeit zu einer Wettbewerbsverzerrung zwischen herkömmlichen Anbietern und Online-Diensten führen. 


Um künftig die Erhebung der Mehrwertsteuer für Leistungen der Personenbeförderung und die Kurzzeitvermietung von Unterkünften über Plattformen sicherzustellen, wird die Steuer durch die Plattformbetreiber geschuldet, wenn es sich bei den Anbietern bspw. um Kleinunternehmer oder natürliche Personen handelt. 


Die Änderungen sind mit Wirkung vom 1. Januar 2025 vorgesehen. 


3) Einführung einer einzigen Mehrwertsteuerregistrierung 

 

Neben der Einführung des digitalen Meldesystems basierend auf E-Invoicing und der Anpassung der Rechtsvorschriften für die Plattformwirtschaft nimmt sich die Europäische Kommission mit der dritten Säule auch der Komplexität der Umsatzsteuererhebung in der EU an. Für Unternehmen ist die umsatzsteuerliche Erfassung und fortlaufende Meldepflicht in den einzelnen Mitgliedstaaten mit hohen Kosten verbunden. 


Mit der Einführung einer einzigen Mehrwertsteuerregistrierung hat es sich die Europäische Kommission zum Ziel gesetzt, die Szenarien für ausländische Registrierungspflichten weitestgehend zu eliminieren. Durch diese Reduzierung von Anwendungsfällen für ausländische Registrierungspflichten sollen Unternehmen möglichst in allen EU-Mitgliedstaaten unter ihrer bestehenden umsatzsteuerlichen Registrierung im Ansässigkeitsstaat auftreten können. Hierfür ist eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen 


a) Für Lieferungen im Gemeinschaftsgebiet über Marktplätze, Plattformen etc. sollen künftig umfassend die Steuerpflichten auf Marktplätze übertragen werden. Die bestehende Lieferkettenfiktion gem. Art. 14a MwStSystRL (umgesetzt in § 3 Abs. 3a UStG) soll unabhängig von der Ansässigkeit des Leistenden und unabhängig vom Status des Kunden (B2B oder B2C) Anwendung finden. Auch innergemeinschaftliche Verbringungen wären hiervon abgedeckt. 


b) Lokale Lieferungen an unternehmerische Empfänger in einem Mitgliedstaat, in dem der Leistende nicht ansässig ist, führen derzeit oftmals zur Registrierungspflicht. Hierfür soll künftig die derzeit bestehende Option des Reverse Charge Verfahrens gem. Art. 194 MwStSystRL verpflichtend durch die Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Eine Registrierungspflicht für den Leistenden entfiele in dem Fall, in dem der B2B-Abnehmer in dem Land, in dem die Leistung erbracht wird, steuerlich erfasst ist. Für Kontrollzwecke sollen diese Umsätze künftig auch in der Zusammenfassenden Meldung (2025 – 2027) erfasst werden bzw. anschließend im digitalen Meldesystem (ab 2028) gemeldet werden. 


c) Das bestehende One-Stop-Shop Verfahren (OSS) wird auf weitere Umsätze an Privatabnehmer ausgedehnt. Derzeit sind lediglich Dienstleistungen und Fernverkäufe von der Regelung umfasst. Künftig sollen hiervon auch alle weiteren B2C-Umsätze (lokale Lieferungen, Lieferungen mit Montageleistung, Lieferungen an Bord von Schiffen, Flugzeugen oder Eisenbahnen sowie Lieferungen von Elektrizität, Wärme und Gas) erfasst sein. Zudem können Fälle der Differenzbesteuerung über den OSS erfasst werden. Auch steuerfreie Leistungen und ruhende Lieferungen sollen in dem besonderen Besteuerungsverfahren deklarationsfähig sein. 


d) Der Entwurf sieht die Einführung eines vierten OSS-Verfahrens für innergemeinschaftliche Verbringungen vor (Art. 369 xa ff. MwStSystRL-E). Die Warenverbringung soll somit künftig nicht mehr zur Registrierungspflicht führen. Ausgenommen sind Anlagegüter sowie Waren, für die kein vollständiger Vorsteuerabzug besteht. 


e) Die Konsignationslagerregelung gem. Art. 17a MwStSystRL (umgesetzt in § 6b UStG) wird abgeschafft. Dies ist auf die Möglichkeit der Deklaration von Warenverbringungen über den OSS (vgl. d) bzw. aufgrund der Lieferkettenfiktion (vgl. a) zurückzuführen. 


Die Änderungen sollen entsprechend des Vorschlags der Europäischen Kommission mit Wirkung vom 1. Januar 2025 Anwendung finden. 


Die dargestellten Vorschläge der Europäischen Kommission betreffen einen großen Teil der Steuerpflichtigen in der EU. Mit den Auswirkungen für das eigene Geschäftsmodell sollten sich Unternehmen daher frühzeitig auseinandersetzen und den weiteren Verlauf der Initiative verfolgen, um rechtzeitig Maßnahmen für die Umsetzung im Unternehmen zu veranlassen zu können. 


Das im Dezember vorgeschlagene Maßnahmenpaket der Europäischen Kommission wird nun das weitere Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene durchlaufen. Über die weiteren Entwicklungen halten wir sie informiert.

Sprechen Sie uns bei Fragen gern an.


Hamburg, 15. Dezember 2022


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