Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen – BMF entschärft Fristerfordernis für die Abgabe und Berichtigung der Zusammenfassenden Meldung

Seit Inkrafttreten der Quick Fixes zum 1. Januar 2020 hat die Zusammenfassende Meldung (ZM) wesentlich an Bedeutung für die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen gewonnen. In der Praxis sorgte eine über den Gesetzeswortlaut hinaus gehende Anforderung der Finanzverwaltung hinsichtlich der Frist für Risiken bei Unternehmen. Das BMF entschärft nun mit Schreiben vom 20. Mai 2022 die seit 2020 geltende Verwaltungsauffassung und klärt Zweifelsfragen in der Praxis. 

Richtige und vollständige ZM ist Voraussetzung für die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen  


Die ZM ist ein Kontrollmedium für den innergemeinschaftlichen Dienstleistungs- und Warenverkehr. Mit der Meldepflicht stellen Unternehmen die erforderlichen Daten über erbrachte Leistungen zur Verfügung, die in einem anderen Mitgliedstaat der Besteuerung unterliegen. Den Steuerbehörden im Gemeinschaftsgebiet wird somit ermöglicht, die Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat sicherzustellen. 


Mit Inkrafttreten der sogenannten Quick Fixes zum 1. Januar 2020 wurde die zutreffende Deklaration der ZM zu einer materiell-rechtlichen Voraussetzung für die Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen. In § 4 Nr. 1 Buchstabe b) UStG ist seither geregelt, dass die Steuerfreiheit versagt wird, wenn ein Unternehmer seiner Pflicht zur Abgabe der ZM nicht nachgekommen ist oder soweit er diese im Hinblick auf die jeweilige Lieferung 


  • unrichtig oder 
  • unvollständig 


abgegeben hat. 


Die Finanzverwaltung hat im Umsatzsteuer-Anwendungserlass seit Oktober 2020 eine strengere Anforderung an die ZM gestellt, die nunmehr entschärft wird. Sowohl die erstmalige Abgabe der ZM als auch die Berichtigung einer unzutreffenden ZM sind von der Neufassung betroffen. 


1. Verfristete Abgabe der ZM führt nicht (mehr) zur Versagung der Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen


Nach der bisherigen Verwaltungsauffassung erfüllte ein Unternehmer gem. Abschn. 4.1.2. Abs. 2 Satz 2 UStAE die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht, wenn die ZM 


  • nicht richtig
  • nicht vollständig oder 
  • nicht fristgerecht 


abgegeben wurde.


Die Finanzverwaltung hatte somit eine über den Gesetzeswortlaut hinaus gehende Anforderung an die fristgerechte Abgabe der ZM gestellt. Ein Versäumnis der fristgerechten Abgabe der ZM konnte nach Auslegung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses somit zu einer (unheilbaren) Steuerpflicht von innergemeinschaftlichen Lieferungen führen. 


Zwar ist die Verwaltungsauffassung für Unternehmer nicht bindend, in der Praxis führte diese Regelung jedoch wegen der Bindungswirkung für die Finanzverwaltung zu steuerlichen Risiken für Unternehmen. Die Steuerfreiheit konnte somit versagt werden, sofern keine fristgerechte Abgabe der ZM erfolgte.


Mehr als ein Jahr nach Veröffentlichung der Verwaltungsauffassung ändert das BMF nun mit Schreiben vom 20. Mai 2022 (Gz. III C 3 - S 7140/19/10002 :011) den Umsatzsteuer-Anwendungserlass zugunsten der Unternehmer im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut und entfernt den Zusatz der fristgerechten Abgabe der ZM. 


Zudem stellt das BMF klar, dass mit erstmaliger Abgabe einer verfristeten (richtigen und vollständigen) ZM erst in diesem Zeitpunkt die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllt sind. Somit kann das Finanzamt bis zur Abgabe einer richtigen und vollständigen ZM Umsatzsteuer festsetzen. Die Steuerfreiheit ist jedoch entsprechend der Verwaltungsauffassung rückwirkend zu gewähren, sofern die Abgabe innerhalb der Festsetzungsfrist erfolgt. 


Eine verspätete Abgabe der richtigen und vollständigen ZM führt mithin nicht (mehr) zur Versagung der Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen und kann Rückwirkung entfalten. 


2. Fristerfordernis der Berichtigung von ZM führt ebenfalls nicht (mehr) zur Versagung der Steuerfreiheit


Das Umsatzsteuerrecht sieht für die Berichtigung einer unrichtigen oder unvollständigen ZM eine Frist von einem Monat ab Kenntnis vor (§ 18a Abs. 10 UStG). 


Entsprechend der bisherigen Verwaltungsauffassung war diese Monatsfrist auch für die Gewährung der Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen maßgeblich. So sah das Beispiel in Abschn. 4.1.2. Abs. 3 UStAE vor: Würde der Unternehmer

„noch innerhalb der Monatsfrist des § 18a Abs. 10 UStG berichtigen, würde die Steuerfreiheit wiederaufleben.“ 


Eine strenge Auslegung des Beispiels führte in der Praxis zur Versagung der Steuerfreiheit, wenn eine unrichtige oder unvollständige ZM nicht innerhalb der Monatsfrist berichtigt wurde. 


Mit dem BMF-Schreiben wird nunmehr klargestellt, dass die Frist ausschließlich den Zwecken der Durchführung eines ordnungsgemäßen innergemeinschaftlichen Kontrollverfahrens sowie eines etwaigen Bußgeldverfahrens (§ 26a Abs. 2 Nr. 5 UStG) dient. 

Nach der Verwaltungsauffassung entfaltet auch die Berichtigung einer unrichtigen oder unvollständigen ZM Rückwirkung für Zwecke der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung.


Anpassungen zum Meldezeitraum 


An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass ein Unternehmer jeweils die (fehlerhafte) ursprüngliche ZM für den Meldezeitraum zu berichtigen hat. Eine Berichtigung von Fehlern in einer anderen ZM, als der ursprünglichen, führt zu keinem Aufleben der Steuerfreiheit für die betreffende Lieferung.


Mit dem BMF-Schreiben erfolgt nunmehr auch eine Anpassung der Ausführungen zum zutreffenden Meldezeitraum. Bisher war in Abschn. 4.1.2. Abs. 3 Satz 4 UStAE eine Berichtigung für den Meldezeitraum, „in dem die betreffende Lieferung ausgeführt wurde“ vorgesehen. 


Für innergemeinschaftliche Lieferungen sind die erforderlichen Angaben gem. § 18a Abs. 8 UStG dagegen für den Meldezeitraum zu machen, in dem die Rechnung für die innergemeinschaftliche Warenlieferung ausgestellt wird, spätestens jedoch für den Meldezeitraum, in dem der auf die Ausführung der innergemeinschaftlichen Warenlieferung folgende Monat endet. 


Die geänderte Fassung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses stellt daher korrekterweise nicht mehr unmittelbar auf die Ausführung der Lieferung ab und enthält Angaben zur Rechnungsstellung für die Ermittlung des zutreffenden Meldezeitraums in den aufgeführten Beispielen. 


Praxishinweise


Die dargestellte Lockerung der Verwaltungsauffassung ist eine für Unternehmen begrüßenswerte Änderung und wird das in der Praxis bestehende Streitpotential deutlich entschärfen. 


Gleichwohl sollten Unternehmen beachten, dass die rückwirkende Gewährung der Steuerbefreiung im Veranlagungsverfahren gerade nicht die Festsetzung eines Bußgelds verhindert. Unternehmen sollten daher beachten, eine


  • fristgerechte erstmalige Abgabe der ZM (25. Kalendertag nach Ablauf des zutreffenden Meldezeitraums) bzw. 
  • rechtzeitige Berichtigung einer unvollständigen oder unrichtigen ZM (ein Monat nach Kenntnis)

 

sicherzustellen sowie stets auf die zutreffende Meldeperiode von innergemeinschaftlichen Lieferungen abzustellen. Änderungen in einer unzutreffenden Meldeperiode können auch künftig zur Versagung der Steuerfreiheit führen. Zu beachten ist außerdem, dass eine Rückwirkung für Zwecke der Steuerbefreiung nur innerhalb der Festsetzungsverjährung möglich ist. 


Das BMF-Schreiben ist unter folgendem Link abrufbar.


Bei Fragen sprechen Sie uns jederzeit gern an. 



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