Energiesteuerentlastung trotz Ablauf der Antragsfrist?

Der Bundesfinanzhof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union am 8. Juni 2021 eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, die weitreichende Auswirkungen auf die Entlastungspraxis der deutschen Hauptzollämter haben könnten. 


Im Revisionsverfahren VII R 44/19 (aktuell ausgesetzt) geht es um einen nach Ablauf der in der EnergieStV normierten Antragsfrist aber innerhalb der Festsetzungsverjährung eingereichten Energiesteuerentlastungsantrag nach § 54 EnergieStG eines Unternehmens des Produzierenden Gewerbes. Das Hauptzollamt ist, der üblichen Praxis der Zollverwaltung folgend, der Auffassung, dass eine Entlastung aufgrund des Ablaufs der Antragtragsfrist ausscheidet. Die Festsetzungsverjährung war bei Antragstellung aufgrund einer zwischenzeitlichen Außenprüfung jedoch noch nicht eingetreten, die Entlastung könnte daher grundsätzlich gewährt werden. Das Finanzgericht Hamburg widersprach der Auffassung des Hauptzollamts in erster Instanz und sprach dem Antragsteller die Entlastung zu (FG Hamburg vom 1. Februar 2019, 4 K 58/15). 


Der BFH äußert nun die Frage, ob allein der Ablauf der nationalen Antragsfrist ausreicht, um die Steuerentlastung zu versagen oder ob eine Steuerentlastung nicht aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu gewähren ist. Dafür legt das Gericht dem EuGH die folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: 


"Gilt der unionsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch für die fakultative Steuerermäßigung nach Art. 5 Satz 1 vierter Gedankenstrich RL 2003/96 mit der Folge, dass der Mitgliedstaat die Steuerermäßigung nach Ablauf der in seinem Recht geregelten Antragsfrist nicht verweigern darf, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei der zuständigen Behörde noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist?"


Der BFH hatte bereits in der Vergangenheit entschieden, dass das Antragserfordernis bei der (Strom- und) Energiesteuerentlastung keine materiell-rechtliche, sondern nur eine formelle Voraussetzung des Steuerentlastungsanspruchs ist. Der EuGH wiederum entschied in der Sache Petrotel-Lukoil (C-68/18), dass eine Verletzung nationaler, rein formeller Anforderungen nicht dazu führen darf, dass eine von der Energiesteuerrichtlinie vorgesehene Steuerbegünstigung nicht gewährt wird (die Versagung der Begünstigung daher keine sanktionierende Wirkung haben darf). 


Die nun erfolgte Vorlage resultiert aus dem Umstand, dass es sich bei der streitgegenständlichen Steuerentlastung des § 54 EnergieStG allerdings nicht um eine obligatorische, sondern lediglich eine fakultative Steuerbegünstigung nach der Energiesteuerrichtlinie handelt. Der BFH legt dem EuGH daher die Frage vor, ob die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch auf fakultative Steuerbegünstigungen Anwendung finden kann. 


Sollte der EuGH dies bestätigen, so wäre die beantragte Steuerentlastung trotz Ablauf der Antragsfrist zu gewähren. Dies hätte weitreichende Folgen für die Entlastungspraxis in Deutschland, da die Hauptzollämter derzeit nach Ablauf der Antragsfrist abgegebene Entlastungsanträge unabhängig vom Eintritt der Festsetzungsverjährung ablehnen.


Sprechen Sie uns bei Fragen gern an. Ihr Ansprechpartner: Helge Schmidt


Hamburg, 10. September 2021


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